Ich habe am Samstag im halbNeun gespielt; im halbNeun-Theater in Darmstadt. In der wunderschönen, inzwischen 36-jährigen Kleinkunst-Institution halbNeun-Theater, Darmstadt. Direkt nach dem Auftritt, adrenalingesättigt und ohnehin zu leicht überbordendem Pathos neigend, hätte ich gesagt: In der Carnegie Hall des deutsch-darmstädterischen Kabarettisten. Jetzt, Mittwochfrüh und am Schreibtisch der Tatsachen aber sage ich: Stimmt genau.

Fünf Jahre lang hatte ich ausschliesslich auf schweizer Bühnen gespielt und mir dabei eine leichte Hotel-Allergie eingehandelt. Man kommt nicht immer in den besten Häusern unter, und dann passiert es, dass dir in einer dieser engen Duschkabinen morgens im Halbschlaf der Duschschlauch am Hintern herumschwengelt wie so ein alter katholischer Priester. Und dann denkst du: Warum tust du dir das an? Wo du doch eines der schönsten  Theater fast vor der Haustüre hast.

Meine Schwestern

Im Publikum bekannte Gesichter: Meine Frau, Freundinnen und Freunde natürlich, und direkt vor der Bühne ein paar meiner Kollegen und Kolleginnen von der Intensivstation, oder wie ich sie liebevoll und gar nicht gender-korrekt nenne: Meine Schwestern. Ein paar?  Herrje, eine ganze Menge. Ist überhaupt noch jemand bei den Patienten?

Dazu die ältesten Freunde im Publikum: Zaubergitarrist, Sänger, Texter und „Goldstück“-Kopf Peter Müller-Wiener und Zauberpianist, Sänger, Texter und ach, überhaupt multigenialer Musiker Heiner Herchenröder. Mit diesen beiden habe ich schon im Sandkasten Musik gemacht, und mit ihnen werde ich sicher auch noch im Grab Musik machen. Und für diesmal hatten wir ein hübsches Liedchen zur Ukulele vorbereitet, das wir vor der Pause präsentieren wollen, dreistimmig.

Ich hatte auch die amtierende Vizemeisterin im deutschsprachigen Poertry-Slam eingeladen, dass sie an passender Stelle ihren Erfolgstext „Schaut mich an“ einfädeln möge: Sarah Lau. Genau: Meine Tochter. Aber sie hatte einen Gig in Gütersloh; so ist das mit den berühmten Kindern. Schade; aber lustig, sich mit der Prinzessin Selfies aus den Garderoben hin und her zu schicken, und ganz nebenbei noch die wichtige Erfahrung zu machen: Bei Selfies im Garderobenspiegel am besten den Blitz ausmachen!

VORHER

NACHHER

So war das an diesem Abend. Die gewohnte leichte Anspannung vorher steigerte sich zum Auftritt hin nur ein kleines bisschen drastischer als sonst, wenn das Licht ausgeht und ich raus muss, ja, aus Lampenfieber wurde eine fast prä-hysterische Lampen-Sepsis: Warum tust du dir das an? Brauchst du das denn immer noch? Muss das denn sein?
Und drei Sekunden später im Applaus und nach den ersten Sätzen:

Ja. Das muss sein.

Vielen Dank.