Seit ich wieder als Krankenpfleger arbeite – hauptberuflich und seit 2013 auf einer Intensivstation – höre ich öfter das Wort „Spagat“, und ein paar Worte später höre ich ein Fragezeichen.

Also: Die Intensivstation ist so ziemlich das Gegenteil von einer Kabarettbühne – mit allen Gleichklängen, die Gegensätze eben mit sich bringen: Hier wie da ist Konzentration gefragt, der Blick fürs Wesentliche, für schnelle und richtige Entscheidungen; und hier wie da sieht man auch viel Elend. Und dann gilt: Es besser machen. Der Spagat dabei ist gar keiner. Wenn man will, ist nur ein sehr weiter Horizont zu sehen. Das Problem ist die Zeit. Die einfache Rechnung: 75%-Stelle in der Klinik und als Künstler immer 100% geben: Ergibt zusammen ein 175%-Dasein; ich habe aber auch nur 24 Stunden pro Tag. Im Zentrum einer effektiven Intensivmedizin liegt wie in der wirklichen Kunst: Prioritäten setzen. Ich reduziere eben bei ein paar Nebensächlichkeiten wie z.B. schlafen und essen; essen also meist stehend, im Sinne von Nahrungsaufnahme. Ansonsten gerne festlich und ausgiebig, und mit guten Menschen. Schlafen niemals im Stehen. Aber eben doch nur dann, wenn Zeit dazu ist. Ansonsten auch ausgiebig, und gerne auch mit guten Menschen.

ICH MÖCHTE NICHT GEWECKT WERDEN

Ich habe noch nie im Leben einen Wecker gebraucht, denn ich möchte nicht geweckt werden. Ich wache auf, wenn es an der Zeit ist, auch morgens um Fünf. Ich schlafe also, wenn Zeit ist, und stehe auf, wenn Zeit ist. Gesund ist das eventuell nicht, vielleicht falle ich eines Tages einfach um. Aber wie ich es sehe, und was ich gesehen habe, ist das vielleicht das gesündere Ende. Ich brauche es so, ich brauche den Gegensatz, mit allen Gleichklängen, die Gegensätze eben mit sich bringen. Das hält wach und man bleibt beweglich. Und hungrig. Bis wieder Zeit ist.