Wir haben ein Stückchen Schweiz entdeckt, hier ganz in der Nähe.

Vor Jahren schrieb ich bereits: „Die schweizer Bahnhöfe machen den Eindruck, als wolle der Schweizer den Fremden auf keinen Fall zum Aussteigen reizen. Die Schönheit der Städte erschließt sich nur dem Mutigen, der es trotzdem tut.“ Und mit dem Auto war es mir auch nicht anders ergangen: Ob bei der Einfahrt nach Zürich oder bei Burgdorf, du musst fast immer erst mit sehr starkem Willen und sturem Blick geradeaus durch einen Ring städtebaulicher Anmaßung hindurch, bis sich endlich der schöne Kern einer Ortschaft dort zeigt; eventuell wirklich spekulierte Absicht der Städteplaner.

Du hältst das aus

Und jetzt haben wir ein Stückchen Schweiz entdeckt, ganz in der Nähe, hier an der hessischen Bergstrasse. Du fährst eine Weile durch das schöne Land und biegst dann ab in ein Dörfchen am Hang. Du hältst das aus: Auch hier, die ersten Häuser, das kennst du doch schon von irgendwo her, doch die Augen geradeaus und du hältst das wieder aus und siehe da, schnell ist es geschafft. Es geht bergauf.
Das Wort „Berg“ aus dem Mund des deutschen Flachländers lässt den Schweizer schmunzeln. Aber doch: Die Strasse verläuft steil und am Ende ist man auch ziemlich oben. Und da wird es gediegen und schön. Häuser mit sichtbarer Geschichte an den Fassaden, eine Kirche dazu und dann ist sie da: Diese Mischung aus verhaltener Eleganz und Bodenständigkeit, die mich in fast allen schweizer Orten gleich wohl fühlen liess; kein Protz und kein Schnickschnack.

Eleganz und Bodenständigkeit

Halb im Wald stehst du hier und aus dem Wohnzimmer aber der Blick über die Ebene. Vogelgezwitscher durchs offene Fenster, Kuhglocken dahinter auf der Weide? Ah nein, hier nur ein Bambus-Windspiel vor der Haustüre. Ansonsten Ruhe. Und wie in der Schweiz kannst du hier arbeiten, in dieser Luft, zehn Stunden oder zwölf, ohne müde zu werden. Schon ganz früh kannst du anfangen, abends aber auch gut und bald zur Ruhe kommen. Wenn du Glück hast bei einem guten Glas Wein und im Gespräch mit einer schönen Frau (bei ihr übrigens auch diese Mischung aus verhaltener Eleganz und Bodenständigkeit; dies aber nur einer der Gründe, warum ich sie geheiratet habe).
Hier sind wir hergezogen. Ein bisschen wie in der Schweiz, aber dennoch in Deutschland. Die Familie in der Nähe, die Freunde, die Sprache. Die Geschichte und das Heimatgefühl.

Und das Fernweh.

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