Ich habe gerade erfahren, dass heute Häns´che Weiss gestorben ist. Und ich stelle gerade fest, nach ein paar Telefonaten, dass es keinen Musiker gab, der für mich wichtiger war.
MEIN ZIMMERCHEN HINTER DER BÜHNE
Anfang der 80er-Jahre habe ich ihn in München kennengelernt, nicht etwa durch einen feinen Zug des Schicksals, nein, ich hatte es darauf angelegt: Ich wollte mir gerne Mal aus der Nähe betrachten, was genau er da macht auf der Gitarre – vielleicht bestünde die Chance, wenigstens ein bisschen davon zu begreifen. Ich spielte ein paar Tage vor ihm im gleichen Club und bin dann einfach da geblieben, habe tagsüber ein bisschen ausgeholfen, Ordnung gemacht, Gläser gespült und diese Dinge, und dafür durfte ich länger bleiben in meinem kleinen Zimmerchen mit dem knarzenden Bett, gleich hinter der Bühne. Dann: Auftritt des Häns´che Weiss Ensembles. Drei Tage, alle ausverkauft natürlich. Und ich brauchte kein Zimmerchen mehr und kein Bett, denn nach den Konzerten saßen wir bis in den Morgen zusammen. Und ich habe eine ganze Menge begriffen.
JEDESMAL EIN GANZER RAUM
Wir haben uns gar nicht so häufig getroffen seitdem, Köln, Augsburg, Wiesbaden, einmal in Basel. Aber es war jedes Mal das Gleiche: Er zeigte mir ein bisschen – Schau hier, nein, so; hör´ mal genau: Du kannst aber auch so … – immer nur ein bisschen, aber bei mir ging immer ein ganzer Raum auf, den ich Wochen später noch nicht bis zur letzten Ecke erforscht hatte – vielleicht auch bis heute nicht.
Und auch jenseits der Gitarre eröffnete sich mir manches in der Zeit. Häns´che Weiss war ein kluger Kopf, er war ein sehr politischer Mensch, einfach ein ausgesprochen gescheiter Mann. Und wenn meine Fingerchen etwas Pause brauchten, redeten wir: Von der Musik und von den Menschen; über Kulturpolitik, über Clubs, Gagen und Verträge, über die Bühne und das Publikum. Wo man als Künstler steht, darüber haben wir gesprochen, und wofür man stehen sollte: Und ich habe bis heute kein Wort davon vergessen. Alles ist präsent, in dem Moment, jedes Mal, wenn ich auf die Bühne trete, ganz egal, was immer ich da auch vorhabe.
CENTRALSTATION, DARMSTADT, 2008
Drei-, viermal haben wir auch ein Doppelkonzert gespielt seit der Zeit, zuletzt trafen wir uns 2008 in der Centralstation in Darmstadt, wo ich den Abend mit ihm und Titi Winterstein moderierte, mit ihm im Duo eröffnete und mit allen zum Finale jammte. Und ich war genauso aufgeregt wie damals, Anfang der 80er, bei der allerersten Jam. Nur ging es diesmal nicht bis in den Morgen. Und ich hatte auch kein Zimmerchen hinter der Bühne, ich wohnte im Hotel. Und das Bett knarzte auch nicht so furchtbar, wie damals.
Ich konnte trotzdem nicht schlafen.